Die galiläische Prinzessin Salome gehört zu den mythischen Frauenfiguren der abendländischen Kulturgeschichte. Bereits in den Evangelien der Bibel wird ihr erotischer Tanz vor dem Stiefvater Herodes erwähnt, für den sie sich als Gegenleistung den abgeschlagenen Kopf von Johannes, dem Täufer, auf einer Schale bringen lässt. Über alle Epochen hinweg hat Salome Dichter und Bildende Künstler zu Werken inspiriert – als eine Figur, die Fantasien von entgrenzter Sinnlichkeit, weiblicher Dämonie, Gewaltlust und märchenhaftem Exotismus freisetzt. Der irische Dichter Oscar Wilde schrieb Ende des 19. Jahrhunderts ein skandalumwittertes, in England verbotenes Theaterstück über Salome, das in bildmächtiger Sprache Salomes Begehren und ihre Seelenzustände ausleuchtet und sie als starke, selbstbestimmt handelnde Frau und Gegenfigur zur prüden viktorianischen Gesellschaft zu erkennen gibt. Bei Wilde küsst Salome lustvoll den abgeschlagenen Kopf des Propheten.
Richard Strauss wiederum hat aus dem Drama von Wilde einen packenden Operneinakter gemacht, der 1905 mit durchschlagendem Erfolg uraufgeführt wurde und bis heute zu den populärsten Werken des Opernrepertoires gehört.
Die grossformatig orchestrierte Partitur bewegt sich stilistisch an der Schwelle zur musikalischen Moderne und entwickelt vom ersten Takt an einen rauschhaften Sog. Sie liefert schillernde Psychogramme der Figuren und fasst deren Triebenergien klangdicht in Töne. Das macht die grosse Attraktivität des Stücks für jeden Regisseur aus.
In Zürich wird Salome von Andreas Homoki inszeniert, der ein grosses Faible für die Opern von Richard Strauss hat. Er nimmt nicht nur die psychologischen Aspekte des Stoffs in den Blick, sondern auch die gesellschaftlichen: Das Auftauchen des Propheten Jochanaan markiert in seiner Inszenierung auch den Anbruch einer neuen Zeit, die die alten Machtstrukturen zerstört. Die Besetzung bringt neue Stimmen auf die Bühne des Opernhauses: Die vielversprechende Russin Elena Stikhina aus dem Ensemble des St. Petersburger Mariinski-Theaters ist unsere Salome. Ebenfalls sein Zürcher Hausdebüt gibt der litauische Bass-Bariton Kostas Smoriginas in der Partie des Jochanaan. Mit der Australierin Simone Young kehrt eine Dirigentin mit grosser internationaler Reputation im Repertoire von Richard Strauss ans Opernhaus Zürich zurück.