»Impulsiv auch Thomas Weinhappels Marquis Posa. Der zur Dramatik tendierende Bariton ist auch im theatralischen Furor belastbar. Sichere Höhen machten die Sterbeszene dann zu einer der Sternstunden des Abends.«
Thomas Weinhappel als Marquis Posa kann mehr als glänzen. Der längst auch im Wagner-Fach angekommene Künstler singt diese Partie [des Posa] wunderschön akzentuiert und lyrisch (es gibt in Klosterneuburg keine Mikroports). Er ist auch darstellerisch eine Freude.«
Im ausverkauften Kaiserhof des Stiftes fühlen sich alle Mitwirkenden ausgesprochen wohl: Sie werden ohne Mikroports mühelos bis in die hintersten Reihen gehört und wenn ihnen ein gescheites Regieteam wie Isabella Gregor (Inszenierung) und Walter Vogelweider (Bühne) auch noch als Grundkulisse für beide Opern eine Treppenszenerie aufbaut, die alle Stimmen verstärkt nach vorne projiziert, ist das Glück vollkommen. Von den kleinen Mädchen, die während der Einleitung zur „Cavalleria“ über die Bühne laufen und einander eine Puppe zu entreißen versuchen, bis zum fatalen „Bajazzo“-Ende wird von den Solisten, den Chormitgliedern und Statisten konsequent, detailliert, eindringlich und spannungsreich menschliches Verhalten lebhaft und leidenschaftlich empfindender Süditaliener auch optisch eindrucksvoll vorgeführt – auf hohem sängerischem Niveau und von der Sinfonietta Baden unter Christoph Lampestrini feinfühlig, ausgesprochen klangschön und immer sängerfreundlich nicht nur begleitet, sondern auch animiert. Erlebt man diese rundum geglückte Produktion der beiden Einakter dann auch noch bei sogenanntem „Kaiserwetter“ an einem windstillen Abend unter Sternenhimmel, so ist das Opernglück perfekt – trotz der beiden tragischen Liebes- und Eifersuchtsdramen. Da sämtliche Rollen auf Linie gesungen wurden und niemand mit bloßer Kraft Eindruck zu schinden versuchte, wurde die Tragik veredelt – ja, man wagte zu hoffen, dass keiner der Anwesenden jemals ähnlich radikal reagieren würde…
Mozarts „Zauberflöte“ im Kaiserhof, familientauglich inszeniert von Isabella Gregor, musikalisch eher solide als außergewöhnlich. Das sieht gar nicht gut aus! Aufgeregt läuft die Dienerschaft mit blutigem Bettzeug, Wasserschüsseln und Kompressen hin und her: Der Pater familias liegt im Sterben, bestellt sein Haus – und seine schon Trauer tragende Gattin lauert am Totenbett, weil es sie nach dem „mächtigen Sonnenkreis“ gelüstet. Doch nicht sie soll ihn erhalten, gibt der Moribunde unmissverständlich zu verstehen, und sorgt dafür, dass das begehrte Erbstück aus den Händen der Tochter an einen plötzlich auftauchenden Herrn gelangt, dessen Fantasiekostüm zu den Rokokovariationen der anderen seltsam quer steht: Der Konflikt ist entfacht.
Es ist, Fazit first, eine bezaubernde Zauberflöte: Das szenische Geschehen (Inszenierung: Isabella Gregor) schnurrt so temporeich und gut geölt ab wie die Verbeugungschoreo beim Schlussapplaus, und musikalisch ist es ein Abend der delikaten Töne. Zu Beginn meint man sogar, die (nicht elektronisch verstärkten) Streicher der Sinfonietta Baden würden mit Dämpfer spielen, so zart, wie sie im himmelsoffenen Hof des Stifts Klosterneuburg an die Ohren des Publikums dringen. Aber man gewöhnt sich daran, genießt bald die Leichtigkeit der Klänge des Orchesters: wie sanft sich kräuselnde Wellen, auf denen die Vokallinien mit Eleganz ihre Bahn ziehen. Der musikalische Leiter Thomas Rösner ist eine erstklassige Kraft; der Wiener animiert die Sinfonietta zu Beredtheit und Behutsamkeit, die frischen Akzentuierungen welken etwas durch die Akustik.
„Hoffmanns Erzählungen“ als gelungene Hommage zum 200. Geburtstag Offenbachs. „Never change a winning team“, für den Klosterneuburger Festival-Intendanten Michael Garschall ist das gelebte Wirklichkeit: Leading Team, musikalische Leitung, Orchester und Chor bilden seit Jahren das Fundament seines Festivals. Auch ein Großteil der Gesangssolisten kehrt immer wieder. Dieses „Klosterneuburger Ensemble“ betonte heuer, geführt von Regisseur François de Carpentries in Hans Kudlichs bizarr gestalteten Bildern und Karine von Herckes originellen Kostümen die skurrilen Aspekte von Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“.
Und wieder lud das kleine aber feine Open-Air Festival von Klosterneuburg in den stimmungsvollen Rahmen des Kaiserhofes von Stift Klosterneuburg, diesmal zu einem romantischen Operngenuss mit Verdis La Traviata. Wiener Opernfreunde oder die touristischen Besucher dieser Stadt stehen ja, was Oper unter freiem Himmel betrifft, weiterhin vor leeren Brettern und Rängen und müssen ihr Heil – wenn man von dieser so nahen Bühne im Kaiserlichen Stift absieht – wieder viele und oft auch leere Kilometer im Bus oder PKW für Fahrten ins weite Umland absitzen. Trotz der, allerdings wenigen und ausgelassenen Szenen aus dem Pariser Gesellschaftsleben, ist der Charakter dieses Werkes aus der sogenannten mittleren Schaffensperiode Verdis über “weite Strecken von nahezu kammermusikartiger Intimität einer Dreipersonenhandlung” * gekennzeichnet. Nun scheut die Regisseurin Christiane Lutz in offenbarer Erkenntnis das sommerlich gestimmte und nicht leicht zu unterhaltende Publikum und wertet die Szenerie mit diversen Verdoppelungsmäzchen auf.
Nicolaidous schöner Sopran strahlt frische und noblesse aus
... Marcello (Thomas Weinhappel), der – schauspielerisch exzellent und stimmlich um ein Vielfaches dünkler und mächtiger geworden – bis in die kleinsten Facetten beeindruckend zeigt, wie sehr ihm die Kränkungen durch Musetta und das traurige Schicksal seines Freundes Rodolfo zusetzen ...
»Ein Ereignis: Thomas Weinhappel als fabelhafter Marcello – das ist Schönklang und Kultiviertheit pur...« Kurier (Österreich, Wien) 11.7.2022, S.21, Peter Jarolin