Von den Studierenden wird auf der Bühne alles verlangt: Gesangs-, Tanz-, Schauspiel- und Sprechkunst. Das Hochschulorchester steht vor der reizvoll schwierigen Aufgabe, Klänge der sich selbst persiflierende leichte Muse zum Schweben zu bringen. Die Wahl für das diesjährige Musiktheaterprojekt des Fachbereichs Musik der Hochschule für Künste (HfK) Bremen fiel auf „Der Vetter aus Dingsda", eine Operette in drei Akten des deutschen Komponisten Eduard Künneke.
Regie führt Gregor Horres, HfK-Dozent für szenische Gestaltung. Die musikalische Leitung hat Stefan Veselka, HfK-Professor für Orchester-/Ensembleleitung.
„Diese triste, frustrierende Corona-Zeit war wohl der endgültige Auslöser für die Beschäftigung mit der leichten Muse“, sagt Regisseur Gregor Horres. „Das Werk ist prall gefüllt mit wunderbaren, bekannten Melodien, Schlagern – gute Unterhaltung.“ Künneke schrieb das Stück in einer ebenfalls pandemischen Zeit. 1920 im April war die spanische Grippe besiegt, im April 1921 wurde „Der Vetter aus Dingsda“ im Berliner Theater am Nollendorfplatz uraufgeführt.
Geliebt, geflirtet, gesungen und gelogen wird in dem Stück, das Bürgertum per Wortwitz und Situationskomik satirisch aufgespießt und mit Boston-Waltz, Foxtrott-, Paso-Doble-, Tango-, Shimmy-Einlagen der Tanzwut der Goldenen Zwanziger Jahre gehuldigt. Als Postillon d'amour romantisiert der gute, alte Mond als Lichtquelle die Liebesträume der Figuren. Kein Wunder, dass alle versuchen, sich oder jemand anderen zu verheiraten.
Vor allem will die Verwandtschaft über Julia de Weerts Liebesleben und damit über die Verteilung eines stattlichen Erbes entscheiden. Darum bestürmen gleich mehrere Männer die junge Frau, die eigentlich nur auf ihren geliebten Roderich warten will. Der weilt aber seit gefühlten Ewigkeiten im fernen Dingsda ... irgendwo in Asien ... vielleicht in Batavia, dem heutigen Jakarta, Hauptstadt Indonesiens. Aber so genau weiß das niemand – und auch nichts von seiner Rückkehr. Dann taucht ein geheimnisvoll attraktiver „Wandergesell" auf und initiiert eine temporeiche Verwechslungskomödie. Ist er der schöne Roderich oder nur ein Mitgift witternder Heuchler? Getaucht in das Klanggewand einer romantischen Oper gleitet die erste Begegnung der beiden ins Liebesmärchenland.
„Unspektakulär endet das Werk – kein großes Finale. Julia entscheidet sich für den Fremden“, erklärt Horres. Warum er das Werk so schätzt? „Es verliert nie den Bezug zur Realität, es werden sehr genau Charaktere und Situationen beschrieben, gezeichnet. Im schwungvollen Tempo von Tango oder Foxtrott befragen die Figuren ihr Glück. Für den Einen ist die Antwort der Reichtum, für den anderen die Liebe. Selbstverständlich beschäftigt man sich auch mit der Ehe, könnte sie eine Mausefalle sein?“, so Horres. Heißt es doch im Libretto über die Ehe als Mausefalle: „Hinein kommt manch einer, doch raus kommt da keiner, denn nur nach innen geht die Tür.“