Tödliche Verstrickung ist die Folge unerfüllter Sehnsüchte auf einem vom bleichen Mond erleuchteten Fest des jüdischen Tetrarchen Herodes: Der Hauptmann Narraboth tötet sich, weil die junge Prinzessin Salome, die Stieftochter des Herodes, seine Schwärmerei nicht ernst nimmt. Sie hat nur Sinne für den gefangenen Propheten Jochanaan, der seine Stimme aber lediglich zur Anklage erhebt. Gepeinigt von seiner Frau Herodias und in erotischer Gier nach seiner Stieftochter gefangen, verspricht Herodes Salome arglos die Erfüllung jedes Wunsches, wenn sie für ihn tanzt. In grenzenloser Leidenschaft für Jochanaan tanzt Salome und fordert anschließend den Kopf des Täufers als Lohn. Frenetisch bejubelt von Herodias und von Herodes vergebens um Verzicht auf die Erfüllung angefleht, wird der Wille Salomes vollstreckt. Sie selbst löst sich in Lust und Erfüllung auf.
Nie zuvor in der Geschichte der Oper ist die Verbindung von enthemmter Sinnlichkeit und packender Psychologie im fließenden Übergang von Tätern und Opfern so opulent und eindringlich ausgedrückt worden wie in diesem Einakter von Richard Strauss nach Oscar Wildes Studie einer gleichermaßen von Verruchtheit und Unschuld gezeichneten Kindfrau. In der absoluten Konzentration auf die Musik wird der aufmerksame Hörer immer intensiver in das Drama verflochten. Zentrale Tonarten der Partitur, die für die flirrende Mondnacht, die Askese des Propheten oder die Begierde Salomes stehen, liegen in Halbtönen auf engstem Raum zusammen. Höhepunkt ist der Augenblick, wenn Salome zum tiefen Gemurmel der Kontrabässe die Tötung von Jochanaan vorausahnt, herbeisehnt und schier zermürbend immer wieder fordert: ein Hör-Drama, als wäre Alfred Hitchcock dessen heimlicher Sound-Designer.
